Wattenmeer-Zählungen: Langfristiges Wachstum der Kegelrobbenzahlen scheint sich zu verlangsamen

Seit der Wiederbesiedlung des Wattenmeeres Mitte des 20. Jahrhunderts haben die hiesigen Kegelrobbenbestände erheblich zugenommen. Expert*innen haben festgestellt, dass die Zahl der Kegelrobbenwelpen im Wattenmeer in den letzten fünf Jahren um durchschnittlich 12 % pro Jahr zugenommen hat. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Kegelrobben, die während des Fellwechsels gezählt wurden, ebenfalls um jährlich 10 % gestiegen. Die jüngsten Daten zeigen jedoch einen leichten Rückgang der Gesamtzahl der während des Fellwechsels gezählten Kegelrobben um 1 % im Vergleich zum Vorjahr.

Die trilaterale Expertengruppe für Meeressäugetiere (Expert Group Marine Mammals) mit Wissenschaftler*innen und Manager*innen aus Dänemark, Deutschland und den Niederlanden führt jedes Jahr koordinierte Zählungen aus der Luft durch, die das gesamte Weltnaturerbe Wattenmeer abdecken. Bodenzählungen werden zudem auf der Insel Helgoland durchgeführt. In der Fortpflanzungszeit im Winter 2021-2022 wurden im Wattenmeer und auf Helgoland 2.214 Jungtiere gezählt, 15 % mehr als im Vorjahr. Die meisten Neugeborenen wurden mit 1.168 Jungtiere im niederländischen Wattenmeer gezählt, 14 % mehr als bei der letzten Zählung. Auf Helgoland wurden 611 und in Niedersachsen 432 Kegelrobbenjungtiere beobachtet (+9% bzw. +27%). Drei Jungtiere wurden in Schleswig-Holstein und eines in Dänemark gezählt, letzteres außerhalb der koordinierten Zähltermine.

Während des jährlichen Fellwechsels im März/April halten sich die Wattenmeer-Kegelrobben vermehrt auf hiesigen Sandbänken auf, wo sie mit zuwandernden Robben aus dem Vereinigten Königreich zusammentreffen. In diesem Jahr zählten die Expert*innen insgesamt 8.948 Kegelrobben, 1 % weniger als im Vorjahr. Mit 6.500 erfassten Kegelrobben befinden sich 73 % aller im Wattenmeer gezählten Tieren im niederländischen Teil des Wattenmeeres. Im Vergleich zur letzten Zählung registrierten die niederländischen Expert*innen 4 % weniger Tiere. "Dies kann ein realer Rückgang sein oder möglicherweise eine Veränderung der Zuwanderung aus dem viel größeren Kegelrobbenbestand im Vereinigten Königreich", erklärt Jessica Schop, Hauptautorin des Berichts. "Wir könnten bei unseren Zählungen aber auch den Hauptzeitpunkt des Fellwechsels verpasst haben; daher ist es wichtig, ein Verständnis für diesen Zeitpunkt in den verschiedenen Wattenmeerregionen zu entwickeln." Helgoland und Niedersachsen verzeichneten einen Anstieg um 5 % auf 1.090 bzw. 19 % auf 1.086 Individuen. Im schleswig-holsteinischen und dänischen Teil des Wattenmeeres wurden 120 bzw. 152 Kegelrobben gezählt.

Kegelrobben sind das größte Raubtier an der Wattenmeerküste und gehören zu den bekanntesten Arten der Region. Obwohl das Wattenmeer- Seehundabkommen (Agreement on the Conservation of Seals in the Wadden Sea; WSSA) unter der Schirmherrschaft der Bonner Konvention für wandernde Wildtierarten die Kegelrobben nicht abdeckt, profitieren sie von ihrer Aufnahme in den zugehörigen Seehundmanagementplan, der alle fünf Jahre aktualisiert wird. Schutzmaßnahmen des Abkommens sowie die Überwachungs- und Forschungsaktivitäten, die in dem Plan genannt werden, gelten auch für die Kegelrobben. Dazu gehören die jährlichen Zählungen, die erforderlich sind, um Entwicklungen bei den Robben- und Seehundbeständen und Schwankungen in ihrer geografischen Verbreitung in den Wattenmeerländern zu ermitteln. Diese Daten tragen zur umfassenden Erhaltung und dem Management der Kegelrobben- und Seehundpopulationen bei. CWSS fungiert als Sekretariat des Wattenmeer-Seehundabkommens.

Der Expertenbericht ist als Download hier verfügbar: Full report "Grey Seal Numbers in the Wadden Sea and on Helgoland in 2021-2022"